Um den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit von Betriebsratssitzungen (§ 30 Satz 4 BetrVG) zu gewährleisten, muss bei Durchführung virtueller Sitzungsvarianten sichergestellt sein, dass unbefugte Dritte keine Kenntnis vom Inhalt der Sitzung erlangen und die Sitzung nicht aufgezeichnet wird.
Insbesondere sind daher in der Praxis nur geprüfte und gegen die Zuschaltung Dritter gesicherte Programme für Telefon- und Videokonferenzen zu verwenden.
Problematisch ist dabei, dass zahlreiche der bisher existierenden Videotechnik-Plattformen unter Datenschutzgesichtspunkten als kritisch einzuschätzen sind. Auch der in der Gesetzesbegründung zum neuen § 129 BetrVG erwähnte Anbieter WebEx hat beispielsweise seinen Sitz in den USA, einem datenschutzrechtlich unsicheren Drittland.
Hier werden Unsicherheiten bestehen, wie genau tatsächlich praktisch sichergestellt werden kann, dass Dritte an virtuellen Sitzungen nicht teilnehmen können. Daher sollten Videokonferenzen grundsätzlich vorrangig gegenüber Telefonkonferenzen durchgeführt werden, da die Einhaltung des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit hier zusätzlich zumindest einer gewissen visuellen Kontrolle unterliegt.
Gemäß § 34 Absatz (1) BetrVG ist über jede Betriebsratssitzung ein Protokoll zu führen, dem eine Anwesenheitsliste beizufügen ist. Bei Durchführung einer virtuellen Sitzungsvariante wird dem Erfordernis, der Niederschrift dadurch Genüge getan, dass die Teilnehmer ihre Anwesenheit dem Vorsitzenden in Textform (z.B. SMS oder E-Mail) bestätigen.
Dabei bietet es sich, um einen weiteren praktischen Beitrag zur Sicherstellung des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit zu leisten, an, zusätzlich von den Teilnehmern bestätigen zu lassen, dass keine unbefugten Dritten zugegen sind, die vom Inhalt der Sitzung Kenntnis nehmen könnten.
Fraglich ist, ob nach dem neuen § 129 BetrVG bei Vorliegen seiner Voraussetzungen vom Betriebsratsvorsitzenden stets die virtuelle Sitzungsvariante gewählt werden kann oder ob – und unter welchen Umständen – vorrangig Präsenzsitzungen durchzuführen sind.
Dazu wird derzeit überwiegend vertreten, dass aus der zeitlichen Begrenzung des neuen § 129 BetrVG bis Ende 2020 sowie aus dessen Wortlaut („können“) zu schließen ist, dass die neue gesetzliche Vorschrift eine anlässlich der Corona-Pandemie beschlossene Ausnahmeregelung darstellt, so dass die Präsenzsitzung vor Ort weiterhin der gesetzliche Regelfall bleibt und dort, wo sie auch während der Corona-Krise möglich ist, auch weiterhin vorrangig durchzuführen ist. Danach ist die virtuelle Sitzung sowohl Ausnahme als auch letztes Mittel und als solches nur dann zulässig, wenn eine herkömmliche Präsenzsitzung unter Einhaltung geltender Corona-Schutzanordnungen und ohne Gefahr für Leben oder Gesundheit der Betriebsratsmitglieder nach pflichtgemäßem Ermessen des Betriebsratsvorsitzenden nicht möglich ist.
Daher sollten, ganz besonders, wenn Beschlüsse zu mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen von großer Bedeutung oder mit großem wirtschaftlichem Volumen gefasst werden, virtuelle Sitzungsvarianten vorsichtshalber erst dann zur Anwendung kommen, wenn alle Möglichkeiten zur Durchführung einer Präsenzsitzung unter Einhaltung coronabedingter Vorgaben (z.B. Laden von Ersatzmitgliedern für durch Erkrankung oder Quarantäne verhinderte Betriebsratsmitglieder, Nutzung umfunktionierter Räumlichkeiten anstatt des Betriebsratsbüros, um so ggf. Abstands-/Hygienevorgaben einhalten zu können etc.) ergebnislos ausgeschöpft sind.