RE-START NACH DEM LOCKDOWN: WAS IST ARBEITSRECHTLICH ZU BEACHTEN?

RE-START NACH DEM LOCKDOWN: WAS IST ARBEITSRECHTLICH ZU BEACHTEN?

In den letzten Wochen hat es in sämtlichen Bereichen des öffentlichen Lebens zahlreiche Einschränkungen zur Eindämmung des Corona-Virus gegeben. Viele Arbeitgeber sind der Empfehlung der Bundesregierung gefolgt, aufgrund der Ausnahmesituation allen Mitarbeitern, soweit dies möglich ist, die Tätigkeit im Home-Office zu ermöglichen. Nachdem die Einschränkungen der letzten Wochen nun schrittweise wieder entfallen oder zumindest gelockert werden, stellt sich aktuell die Frage, wie eine „Exit-Strategie“ und eine Rückkehr zum normalen Arbeitsalltag gestaltet werden kann, da ein Großteil der Arbeitnehmer während der letzten Wochen nicht mehr im Betrieb anwesend war. Es ist bereits absehbar, dass die Einschränkungen noch für mehrere Monate gelten und Einfluss auf das Arbeitsverhältnis haben werden, weshalb eine langfristige Planung erforderlich ist.

 

Wir erläutern im Folgenden was Sie als Arbeitgeber beachten müssen und welche rechtlichen Rahmenbedingungen bestehen.

 

KANN DER ARBEITGEBER NACH DER LOCKERUNG DER CORONA-MASSNAHMEN EINE RÜCKKEHR VOM HOME-OFFICE AN DEN ARBEITSPLATZ IM BETRIEB VERLANGEN

 

Der Arbeitgeber konnte auch während des Lockdowns von seinem Direktionsrecht gem. § 106 GewO Gebrauch machen. Auch wenn während dieser Ausnahmesituation vielen Arbeitnehmern die Tätigkeit im Home-Office ermöglicht wurde, besteht kein Anspruch hierauf, sofern es hierzu keine Vereinbarung oder eine uneingeschränkte Zusage gibt. Der Arbeitgeber kann daher anordnen, dass der Arbeitnehmer zukünftig wieder an seinem Arbeitsplatz im Betrieb anwesend ist.

 

HAT DER ARBEITNEHMER EINEN ANSPRUCH AUF HOME-OFFICE, WENN ER ANGST VOR EINER ANSTECKUNG MIT DEM CORONA-VIRUS HAT?

 

Eine allgemeine Angst vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus begründet keinen Anspruch auf eine Tätigkeit im Home-Office. Besteht allerdings eine konkrete Gesundheitsgefahr, z.B. wenn ein anderer Mitarbeiter infiziert ist und dennoch weiter im Betrieb arbeitet, muss der Arbeitgeber aufgrund seiner Fürsorgepflicht ggf. versuchen, eine Tätigkeit im Home-Office zu ermöglichen.

 

Lesen Sie dazu auch unseren Blogbeitrag „Q&A zu den neuen Home Office Regelungen“

 

BESTEHT FÜR RISIKOGRUPPEN EIN ANSPRUCH AUF EINE (WEITERE) TÄTIGKEIT IM HOME-OFFICE?

 

Auch Arbeitnehmer, die zu einer besonders gefährdeten Risikogruppe gehören, können im Einzelfall aufgrund der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers einen Anspruch auf einen Home-Office-Arbeitsplatz haben. Dies gilt vor allem in Fällen, in denen der Arbeitgeber die empfohlenen besonderen Hygienevorschriften oder den empfohlenen Sicherheitsabstand nicht ausreichend gewährleisten kann.

 

WELCHE VORKEHRUNGEN MUSS DER ARBEITGEBER IM BETRIEB TREFFEN?

 

Zwingende Vorschriften, die die Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer regeln, gibt es nicht. Jeder Arbeitgeber muss im konkreten Fall eine Gefährdungsbeurteilung für seinen Betrieb vornehmen und die Maßnahmen treffen, die erforderlich sind, um eine Gefährdung der Arbeitnehmer möglichst zu vermeiden.
Der neue „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard“ regelt allgemeine Maßnahmen, durch die eine Infektionsgefahr minimiert werden soll. Demnach sollen vor allem folgende Maßnahmen zur Arbeitsplatzgestaltung ergriffen werden:

  • Die Arbeitsplätze sollen so gestaltet sein, dass der Mindestabstand von 1,50 Metern zu anderen Arbeitnehmern gewährleistet ist, z.B. durch Freilassen von Arbeitsplätzen, Abtrennungen oder Arbeiten im Schichtbetrieb.
  • Mehrfachbelegungen von Räumen sollen vermieden werden.
  • Büroarbeit ist nach Möglichkeit im Home-Office auszuführen.
  • Befolgen der Husten- und Niesen-Etikette (in die Armbeuge).
  • Regelmäßige und gründliche Handhygiene.
  • Regelmäßige Reinigung und Desinfektion von gemeinsam genutzten Flächen (insbes. Sanitäreinrichtungen und Gemeinschaftsräume, Schrank- oder Türgriffe, Küchenutensilien und Knöpfe an Kopierer oder Kaffeemaschine) sowie des persönlichen Arbeitsplatzes.
  • Regelmäßiges Lüften, um die Zahl der Krankheitserreger in geschlossenen Räumen zu verringern. Das BMAS empfiehlt mindestens viermal tägliches Stoßlüften für zehn Minuten.
  • Für häufig genutzte Wege innerhalb größerer Büroeinheiten sollte möglichst eine Laufrichtung festgelegt und markiert werden.
  • An stark frequentierten Plätzen (Aufzüge, Stempeluhr, Kaffeemaschine, Toiletten etc.) sollen Markierungen am Boden angebracht werden, um den Mindestabstand in den Warteschlangen zu gewährleisten.

 

MUSS DER ARBEITGEBER DIE ARBEITSPLÄTZE VON BESCHÄFTIGTEN OHNE EIGENE BÜROS UMGESTALTEN?

 

Viele Arbeitgeber stellt die Umsetzung dieser Arbeitsschutzstandards und vor allem des Mindestabstands vor große Schwierigkeiten, da nicht ausreichend Einzelbüros bzw. Einzelarbeitsplätze mit ausreichendem Abstand vorhanden sind.
Vor allem in Büros mit Mehrfachbelegung, in denen Schreibtische in der Regel gegenüberstehen oder in Großraumbüros, in denen Arbeitsplätze zusätzlich noch in Reihen nebeneinander angeordnet sind, werden die Anforderungen des neuen Arbeitsschutzstandards, auch unter Einhaltung der bisher geltenden Anforderungen des Arbeitsstättenrechts, nicht zwingend eingehalten.
In diesen Fällen muss eine Umgestaltung der Arbeitsplätze erfolgen. Hier sind folgende Maßnahmen denkbar:

 

  • Neuanordnung der Arbeitsplätze durch Umgestaltung der Räumlichkeiten
  • Abtrennen der Arbeitsplätze durch Plexiglasscheiben oder andere transparente Abtrennungen
  • Freilassen von Arbeitsplätzen, um den Mindestabstand zu gewährleisten.

 

Da eine Raumbelegung unterhalb der Kapazitätsgrenze in der Regel dazu führt, dass nicht allen Arbeitnehmern ein Arbeitsplatz zur Verfügung steht, müssen Alternativen, wie die Einteilung in Teams, die abwechselnd im Büro und im Home-Office tätig sind oder das Arbeiten in Schichten zur vorschriftsgemäßen Nutzung der begrenzten Flächen in Betracht gezogen werden. Das BMAS empfiehlt die Bildung von festen Teams, die jeweils zur selben Zeit anwesend sind, um unnötige Kontakte zu vermeiden.

 

Auch eine schrittweise Rückkehr der Arbeitnehmer in den Betrieb, z.B. nach Risikogruppen gestaffelt, ist denkbar.

 

MÜSSEN ARBEITGEBER ALLEN ARBEITNEHMERN EINEN MUND-NASEN-SCHUTZ ZUR VERFÜGUNG STELLEN?

 

Ein Mund-Nasen-Schutz muss nicht für alle Beschäftigten zur Verfügung gestellt werden. Eine Verpflichtung hierzu kann angenommen werden, wenn die Arbeitnehmer verpflichtet sind, bei ihrer Tätigkeit einen solchen zu tragen (z.B. im Einzelhandel). In Bürogebäuden, in denen das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes außerhalb des eigenen Arbeitsplatzes nur empfohlen wird, steht es dem Arbeitgeber frei, ob er diese zur Verfügung stellt.

 

MÜSSEN ARBEITGEBER ALLEN ARBEITNEHMERN REINIGUNGS- UND DESINFEKTIONSMITTEL ZUR VERFÜGUNG STELLEN?

 

Eine ausdrückliche Verpflichtung hierzu besteht nicht. Allerdings wird man vom Arbeitgeber aufgrund des neuen „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards“ verlangen können, dass er den Beschäftigten eine regelmäßige Reinigung seines Arbeitsplatzes ermöglicht. Das Zurverfügungstellung von Reinigungs- und Desinfektionsmittel für jeden Arbeitsplatz ist daher zu empfehlen.

 

DÜRFEN ZUKÜNFTIG WIEDER UNEINGESCHRÄNKT MEETINGS DURCHGEFÜHRT WERDEN?

 

Sämtliche Präsenzveranstaltungen und persönliche sozialen Kontakte sollen bis auf weiteres auf das absolut erforderliche Minimum begrenzt werden. Soweit dies möglich ist, sollen diese weiterhin als Telefon- oder Videokonferenzen stattfinden. Ist eine persönliche Besprechung unumgänglich, muss der Mindestabstand von mindestens 1,50 Metern zwischen den Teilnehmern eingehalten werden. Kann dies nicht gewährleistet werden, ist ein Mund-Nasen-Schutz zu tragen.

 

DARF DER ARBEITGEBER WIEDER DIENSTREISEN ANORDNEN?

 

Auch für Dienstreisen gelten weiterhin Einschränkungen. Es ist auch hier zu prüfen, ob diese zwingend erforderlich sind oder ob eine Ersetzung durch Telefon- oder Videokonferenzen möglich ist. Sofern eine Dienstreise zwingend erforderlich und nach den Vorschriften des Zielortes zulässig ist, sind die allgemeinen Arbeitsschutzstandards wie der Mindestabstand, die Handhygiene sowie Husten- und Niesetikette einzuhalten. In öffentlichen Verkehrsmitteln ist zudem ein Mund-Nasen-Schutz zu tragen.

 

Beachten Sie darüber hinaus auch die Mitführungspflicht der Bescheinigung A 1 bei Dienstreisen ins Ausland.

 

WER HAFTET, WENN SICH MITARBEITER NICHT AN DIE NEUEN ARBEITSSCHUTZSTANDARDS HALTEN?

 

Hier gelten die allgemeinen Regeln zur Arbeitnehmerhaftung.

 

Grundsätzlich gehört die Gefahr einer Ansteckung zum allgemeinen Lebensrisiko. Es handelt sich hierbei nicht um einen Arbeitsunfall, selbst wenn die Infektion am Arbeitsplatz erfolgt ist.
Etwas Anderes kann nur dann gelten, wenn der Arbeitnehmer seine Erkrankung kannte oder kennen musste. Hier finden die allgemeinen Regeln zur privilegierten Arbeitnehmerhaftung Anwendung. Bei leicht fahrlässigem Handeln haftet allein der Arbeitgeber, bei mittlerer Fahrlässigkeit findet eine verschuldensabhängige Quotelung statt. Handelt der Arbeitnehmer vorsätzlich oder grob fahrlässig, haftet er für den entstandenen Schaden alleine. Dies setzt jedoch voraus, dass es ihm gerade darauf angekommen ist, eine andere Person anzustecken oder er dies leichtfertig hingenommen hat. Hier gelten strenge Anforderungen.

 

Konnten die Arbeitnehmer die Schutzmaßnahmen aufgrund der Gegebenheiten im Betrieb nicht einhalten, haftet der Arbeitgeber für eventuelle Schäden. Dies ist z.B. der Fall, wenn der Mindestabstand aufgrund der begrenzten Flächen nicht eingehalten werden kann und der Arbeitgeber keine Organisationsänderung vorgenommen hat.

 

DARF DER ARBEITGEBER ANTIKÖRPER-SCHNELLTESTS ANORDNEN?

 

Nein, eine Teilnahme an Antikörper-Schnelltests kann nur freiwillig erfolgen und unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats.

 

WELCHE REGELUNGEN ZUR KURZARBEIT GELTEN NACH DEM ENDE DES LOCKDOWNS?

 

Die erleichterten Regelungen zur Kurzarbeit gelten rückwirkend ab dem 01.03.2020 und vorerst befristet bis zum 31.12.2020.
Der Bundesrat hat am 15.05.2020 das sogenannte „Arbeit-von-Morgen-Gesetz“ beschlossen, welches weitere Erleichterungen bei der Kurzarbeit zur Abmilderung der coronabedingten Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt vorsieht:

  • Die Bundesregierung wird ermächtigt, die Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes in der Corona-Krise befristet auf bis zu 24 Monate zu verlängern
  • Bezieher von Kurzarbeitergeld, die während der Kurzarbeit eine Nebentätigkeit in systemrelevanten Branchen aufnehmen, entfällt ab April die Anrechnung des daraus erzielten Einkommens auf das Kurzarbeitergeld, auch wenn dadurch Summe des Nebenverdienstes und des Kurzarbeitergeldes die Höhe des bisher erzielten Einkommens überstiegen wird.

 

WIE HOCH IST DAS KURZARBEITERGELD?

 

Bisher beträgt das Kurzarbeitergeld 60 % des pauschalierten Nettoentgelts bzw. für Arbeitnehmer mit Kindern 67 % des pauschalierten Nettoentgelts. Das Kurzarbeitergeld wurde nun abhängig von der Dauer und dem Umfang der Kurzarbeit befristet bis zum 31.12.2020 erhöht:

  • Bis zum dritten Monat der Kurzarbeit beträgt das Kurzarbeitergeld weiterhin 60 bzw. 67 %.
  • Ab dem vierten bis zum sechsten Monat beträgt das Kurzarbeitergeld 70 bzw. 77 %, wenn die Arbeitszeit um mindestens 50 % verringert ist.
  • Ab dem siebten Monat mit mehr als 50 % Kurzarbeit beträgt das Kurzarbeitergel 80 bzw. 87 %.

Ist die Arbeitszeit durch die Kurzarbeit um weniger als 50 % reduziert, erfolgt keine staatliche Erhöhung des Kurzarbeitergelds.

 

HABEN ARBEITNEHMER EINEN ANSPRUCH AUF ENTGELTFORTZAHLUNG, WENN SIE AUFGRUND DER KINDERBETREUUNG NICHT ARBEITEN KÖNNEN?

Trotz der schrittweisen Wiedereröffnung der Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen müssen viele Arbeitnehmer zumindest teilweise weiterhin ihre Kinder selbst betreuen. Sofern die zu betreuenden Kinder das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, behindert oder auf Hilfe angewiesen sind und die Schließung der Betreuungseinrichtung hierfür alleinige Ursache ist, besteht ein Anspruch auf Entschädigung gem. § 56Abs. (1a) IfSG.

 

WELCHE VORAUSSETZUNGEN BESTEHEN FÜR DEN ANSPRUCH AUF ENTSCHÄDIGUNG?

Ein Entschädigungsanspruch besteht nur, wenn die Schließung der Betreuungseinrichtung alleinige Ursache für den Verdienstausfall ist und keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit besteht. Auch während der Schulferien und an Feiertagen besteht kein Anspruch auf Entschädigung. Ob vorrangig ein möglicher Anspruch gem. § 616 BGB geltend gemacht werden muss, ist nicht geklärt, dürfte jedoch nicht mehr zu entscheiden sein, da nach dem zwischenzeitlich seit Wochen anhaltenden Ausnahmezustand keine Verhinderung für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit mehr besteht.

 

MUSS DER ARBEITNEHMER ÜBERSTUNDEN UND URLAUB ABBAUEN, BEVOR ER EINEN ENTSCHÄDIGUNGSANSPRUCH GELTEND MACHEN KANN?

Der Arbeitnehmer muss zunächst Überstunden und Zeitguthaben abbauen. Seinen Urlaub muss der Arbeitnehmer hingegen nicht zur Kinderbetreuung nehmen. Eine Ausnahme gilt – entsprechend den Regelungen zur Kurzarbeit – für Resturlaubsansprüche aus dem Vorjahr und den bereits beantragten und genehmigten Urlaub.

 

WIE HOCH IST DER ANSPRUCH AUF ENTSCHÄDIGUNG?

Die Entschädigung beträgt 67 % des Nettoentgelts und ist begrenzt auf EUR 2.016,00.

 

WIE LANGE BESTEHT DER ANSPRUCH AUF LOHNFORTZAHLUNG?

Nachdem eine schnelle und Umfassende Wiedereröffnung der Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen nicht in Aussicht ist, wurde der Anspruch auf Lohnfortzahlung zur Kinderbetreuung von 6 auf bis zu 20 Wochen verlängert. Jeder Elternteil hat jeweils einen Anspruch auf 10 Wochen Entgeltfortzahlung, Alleinerziehende erhalten diese für bis zu 20 Wochen. Die maximale Dauer der Entschädigung muss nicht am Stück in Anspruch genommen werden. Die Leistung kann, vor allem unter Berücksichtigung der tageweisen Wiedereröffnung der Betreuungseinrichtungen auch tageweise in Anspruch genommen werden.

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Dr. Oliver Hahn

Partner · Gründer

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

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