CORONA-VIRUS UPDATE II: SCHLIESSUNG VON SCHULEN UND KITAS, KURZARBEIT & GRENZSCHLIESSUNG

CORONA-VIRUS UPDATE II: SCHLIESSUNG VON SCHULEN UND KITAS, KURZARBEIT & GRENZSCHLIESSUNG

Derzeit wird das öffentliche Leben in Deutschland in vielen Bereichen drastisch eingeschränkt. Fast alle Bundesländer haben flächendeckend die Schließung von Schulen und Kitas auf unbestimmte Zeit beschlossen, Betriebe werden geschlossen, Freizeitaktivitäten und Veranstaltungen untersagt und nun auch noch die Grenzen zu den Nachbarländern geschlossen.

Die wichtigsten Informationen zu den arbeitsrechtlichen Auswirkungen dieser Maßnahmen und wie Arbeitgeber bei den Auswirkungen der Krise unterstützt werden sollen – im Überblick:

 

SCHLIESSUNG VON SCHULEN UND KITA

1. DARF DER ARBEITNEHMER ZU HAUSE BLEIBEN, WENN DIE SCHULE/KITA SEINER KIN-DER GESCHLOSSEN WIRD?

Der Arbeitnehmer hat aus rechtlicher Sicht in der Regel keinen Anspruch auf Freistellung zur Kinderbetreuung. Er muss zunächst versuchen, die Betreuung seiner Kinder anderweitig zu organisieren. Hier wurde bis vor wenigen Tagen auf eine vorrangige Betreuung – insbesondere durch die Großeltern – verwiesen. Nachdem ältere Menschen nun als Hochrisikogruppe gelten und ein Umgang mit den Enkelkindern nach Möglichkeit vermeiden werden soll, gestaltet sich die Kinderbetreuung für viele als schwierig. Der Arbeitnehmer muss zunächst prüfen, ob eine durchgehende Betreuung der Kinder zwingend erforderlich ist. Ältere Schulkinder können grundsätzlich auch für einen begrenzten Zeitraum alleine zu Hause gelassen werden, während jüngere Kinder eine Betreuung benötigen.

 

Ist die Betreuung erforderlich und eine andere Betreuungsmöglichkeit nicht gegeben, darf der Arbeitnehmer gem. § 616 BGB für eine „nicht erhebliche Zeit“ zu Hause bleiben. Das gilt aber nur, sofern dieser im Arbeitsvertrag nicht ausgeschlossen ist.

 

Davon ausgehend, dass die Schulen und Kitas bis „auf Weiteres“ – zumindest aber für mehrere Wochen – geschlossen sind, sollten vor allem die Möglichkeiten von Home Office oder Abbau von Zeitguthaben und Urlaub geprüft werden.

 

 

2. HAT DER ARBEITNEHMER EINEN ANSPRUCH AUF VERGÜTUNG, WENN ER WEGEN DER KINDERBETREUUNG NICHT ARBEITET?

Ist § 616 BGB auf das Arbeitsverhältnis anwendbar, hat der Arbeitnehmer für die Freistellung einen Anspruch auf Vergütung. Dieser Anspruch besteht aber nur für eine kurze Zeit (ca. eine Woche) und schon jetzt ist eine längerfristige Schließung der Schulen beschlossen.

 

Keinen Anspruch auf Vergütung hat der Arbeitnehmer, wenn die Anwendung des § 616 BGB arbeitsvertraglich ausgeschlossen ist.

 

Aufgrund der langen Dauer der nun angeordneten Schließung von Schulen, Kindergärten und Kinderbetreuungsstätten sollten einvernehmliche Lösungen, wie z.B. Home Office, Abbau von Überstunden oder Urlaub gesucht werden.

 

 

3. HAT DER ARBEITNEHMER EINEN ANSPRUCH AUF VERGÜTUNG, WENN SEIN KIND AN CORONA ERKRANKT IST?

Ist das Kind des Arbeitnehmers an Corona erkrankt, darf er gem. § 45 Abs. (3) SGB V zu Hause bleiben. Gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer haben bei einer Erkrankung des eigenen Kindes unter 12 Jahren einen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld für 10 Arbeitstage pro Jahr.

 

4. DARF DER ARBEITNEHMER SEIN KIND AUSNAHMSWEISE MIT ZUR ARBEIT BRINGEN?

Einen Anspruch des Arbeitnehmers, das Kind mit zur Arbeit zu bringen, gibt es auch in Ausnahmesituationen nicht. Hier sollten individuelle Lösungen gesucht werden.

 

KURZARBEIT

1. WANN KANN KURZARBEIT ANGEORDNET WERDEN?

Die einseitige Anordnung von Kurzarbeit ist nur möglich, wenn es eine wirksame einzel- oder kollektivvertragliche Vereinbarung gibt, die dies vorsieht.

 

2. WANN WIRD KURZARBEITERGELD BEZAHLT?

Kurzarbeitergeld wird für eine zur Vermeidung von unbilligen Auswirkungen aufgrund des Corona-Virus für eine begrenzte Zeit unter erleichterten Bedingungen gewährt.
Es müssen anstelle von bisher 30 % nur 10 % der Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen sein und der Arbeitgeber erhält neben der Erstattung des ausgefallenen Nettolohns in Höhe von 60 % sogar vorübergehend die Beiträge zur Sozialversicherung voll erstattet.

 

Um einen ausreichenden Schutz aller Arbeitnehmer zu gewähren, können nun auch Leiharbeitnehmer Kurzarbeitergeld erhalten.

 

Weiterführende Hinweise zum Kurzarbeitergeld entnehmen Sie unter: https://www.arbeitsagentur.de/news/kurzarbeit-wegen-corona-virus

 

3. GELTEN DIE ERLEICHTERTEN REGELN ZUR KURZARBEIT SOFORT?

Der Bundestag und der Bundesrat haben am Freitag das „Gute Arbeit Gesetz“ verabschiedet, in dem die Lockerungen zur Kurzarbeit geregelt sind. Das Gesetz gilt nach Aussage von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil rückwirkend ab 01.03.2020. Auch für Unternehmen, die schon Kurzarbeitergeld beziehen, werden die Neuregelungen automatisch rückwirkend angewandt.

 

 

BETRIEBSSCHLIESSUNGE

1. WANN DARF DER BETRIEB VON EINER BEHÖRDE GESCHLOSSEN WERDEN?

Derzeit werden immer mehr Bereiche des öffentlichen Lebens eingestellt und Betriebe durch behördliche Anordnung geschlossen. Für behördliche Betriebsschließungen gibt es verschiedene Rechtsgrundlagen nach dem Infektionsschutzgesetz, einzelnen Spezialgesetzen (z.B. Lebensmittelrecht) und aus dem allgemeinen Ordnungsrecht zur Vermeidung einer weiteren Ausbreitung des Virus.

 

Eine behördliche Schließung dürfte derzeit vor allem dann zur Diskussion stehen, wenn entweder ein Mitarbeiter infiziert und die weitere Ausbreitung des Virus zu befürchten ist oder in dem Betrieb typischerweise eine große Zahl an Menschen aufeinandertrifft. In einem Unternehmen mit viel Kundenkontakt greifen die Behörden früher ein (wie etwa die Schließung von Restaurants, Bars, Diskotheken etc.) als in einem kleinen produzierenden Betrieb.

 

Eine Übertragung des Corona-Virus über Produkte hält das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nach einer vorläufigen Einschätzung aber für unwahrscheinlich. Es ist aber denkbar, dass die Behörden aus Vorsicht derzeit schon bei geringeren Gefahren eingreifen.

 

 

2. WIE KANN MAN GEGEN DIE ANORDNUNG EINER BETRIEBSSCHLIESSUNG VORGEHEN

Da die endgültige gerichtliche Klärung der Rechtswirksamkeit einer solchen Anordnung sehr lange dauert und diese bis zu einer Entscheidung oft schon wieder aufgehoben sein dürfte, sollte auf jeden Fall vorläufiger Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten in Anspruch genommen werden. Dort wird die Verfügung zwar nicht aufgehoben, aber außer Vollzug gesetzt, wenn eine erste summarische Prüfung für die Rechtswidrigkeit spricht.

 

3. WER KOMMT FÜR DIE LOHNKOSTEN AUF?

Der Arbeitgeber muss die Lohnkosten weiterhin alleine tragen. Eine Erstattung – wie etwa im Fall einer Infektion nach dem Infektionsschutzgesetz – erfolgt nicht. Dieses Risiko gehört zum Betriebsrisiko des Arbeitgebers, auch wenn er hierauf keinen Einfluss hat.

 

 

GRENZSCHLIESSUNGE

1. MUSS DER ARBEITGEBER MITARBEITER VON DIENSTREISEN IM AUSLAND ZURÜCKHOLEN?

Der Arbeitgeber muss Arbeitnehmer aus Risikogebieten, für die es eine offizielle Reisewarnung des Auswärtigen Amts gibt, zurückholen. Das Auswärtige Amt sollte informiert werden, vor allem, da die Reisefreiheit derzeit massiv eingeschränkt ist.

 

2. WAS BEDEUTET DIE GRENZSCHLIESSUNG FÜR GRENZGÄNGER

Bislang ist keine vollständige Abriegelung, sondern nur eine Einschränkung des Grenzverkehres geplant. Der freie Warenverkehr soll ebenso gesichert bleiben, wie die Ein- und Ausreise von Pendlern in Grenzgebieten und die Einreise deutscher Bürger. Eine Entsendung deutscher Arbeitnehmer in das Ausland ist aber größtenteils schon nicht mehr möglich, da in vielen – auch angrenzenden – Staaten zwar ebenfalls der freie Warenverkehr aufrecht erhalten werden soll, Ausländer aber nur in Ausnahmefällen die Grenze überqueren dürfen. Solche Ausnahmefälle sind gegeben bei Menschen mit einer Aufenthaltsgenehmigung oder für Lastwagenfahrer zur Aufrechterhaltung des Warenverkehrs.

 

3. MUSS DER ARBEITGEBER SEINE ARBEITNEHMER ANGESICHTS DER GEPLANTEN SCHLIESSUNGEN DER DEUTSCHEN GRENZEN ZURÜCKHOLEN

Die Einschränkungen an den deutschen Grenzen hat für Deutsche im Ausland zunächst keine gravierenden Auswirkungen, da deutsche Staatsbürger weiterhin einreisen dürfen. Allerdings werden deutsche Arbeitnehmer in vielen Ländern derzeit ausgewiesen, so dass der Arbeitgeber für diese Arbeitnehmer die Rückreise nach Deutschland – ggf. in Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt – ermöglichen muss.

 

 

PFLICHTEN DES ARBEITNEHMERS

1. MÜSSEN ARBEITNEHMER DEN ARBEITGEBER ÜBER EINEN AUFENTHALT IM RISIKOGEBIET INFORMIEREN?

Arbeitnehmer die sich in offiziellen Risikogebieten aufgehalten haben, sind dem Arbeitgeber zu einer Auskunft hierüber verpflichtet, damit dieser die übrigen Arbeitnehmer schützen kann. Die jeweils aktuelle Liste der Risikogebiete findet sich auf der Internetseite des Robert Koch Instituts (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogebiete.html).

 

Darüber hinaus besteht keine Informationspflicht des Arbeitnehmers, auch wenn er sich in einer Region mit bekannten Fällen aufgehalten hat.

 

2. MÜSSEN ARBEITNEHMER DEN ARBEITGEBER ÜBER FREIZEITAKTIVITÄTEN INFORMIEREN?

Freizeitaktivitäten sind nach wie vor Privatsache des Arbeitgebers. Solange diese offiziell erlaubt sind – z. B. bestimmte „Großveranstaltungen“ – muss der Arbeitnehmer den Arbeitgeber hierüber nicht informieren. Da aber aktuell nach und nach sämtliche Bereiche des öffentlichen Lebens eingeschränkt und sowohl öffentliche als auch nicht öffentliche Veranstaltungen und Freizeitaktivitäten untersagt werden, dürfte der Besuch von Großveranstaltungen keine allzu große praktische Bedeutung mehr haben.

 

4. KANN DER ARBEITGEBER DEN NACHWEIS EINER NICHT BESTEHENDEN INFEKTION VERLANGEN?

In der Regel kann der Arbeitgeber eine Gesundheitsbescheinigung nicht verlangen. Bei konkreten Anhaltspunkten für eine mögliche Infektion ist das jedoch zulässig.

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Dr. Oliver Hahn

Partner · Gründer

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

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